Das Impressum finden Sie auf der Hauptseite von "Buch, Kultur und Lifestyle"- Das Onlinemagazin für den anspruchsvollen Leser- www.rezensionen.co

Simone Langendörfer und Helga König im Gespräch mit Freiherr Maximilian von Düring, Wirtschaftscoach, Trainer und Speaker

Lieber Max von Düring, Sie arbeiten bei Röver & Düring als Business Coach und Trainer in mittelständischen Unternehmen und Konzernen mit überwiegend männlichen Führungskräften an Führungsthemen sowie der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. 

Dank Ihrer beiden Kinder haben Sie so gut wie jedes Schwimmbad des Göttinger Umlandes kennengelernt und zahlreiche Fußballplätze glücklich und heiser verlassen. 

In Ihren interaktiven Vorträgen gehen Sie der Frage nach dem Selbstverständnis des Mannes in der heutigen Gesellschaft nach. 

Wir freuen uns, dass Sie an unserem Interview-Projekt "Wann ist eine Kindheit kindgerecht" teilnehmen.

Simone Langendörfer: Werden Kinder heute extrem auf Leistung "gedrillt" und falls ja, wodurch entsteht dieser Leistungsdruck? 

 Max von Düring
Foto: Mirko Plha
Max von Düring: Ich höre ab und an von Kindern, die ab dem Kindergarten schon mehrere Fremdsprachen lernen sollen. Da stecken überehrgeizige Eltern dahinter. Am Ende sind die Kleinen immer auch Spiegelbild unserer Gesellschaft. Wir alle tragen also Verantwortung. 

Helga König: Was heißt für Sie Kindsein und meinen Sie, dass "Kindsein" in der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts einfacher war? 

Max von Düring: Kindsein heißt spielen dürfen. Es gibt nichts Besseres, als sich im Spielen zu erleben und zu entdecken. Kindsein war damals für mich: raus in den Wald, bolzen, Fahrrad fahren, beim Nachbarkind klingeln und abends um 6 mit dreckigen Hosen zum Abendbrot zu erscheinen. Wir waren glücklich. Da hilft es aber nun nicht, nostalgisch zu werden und die Computerkids zu beklagen, die mit ihrem Smartphone verwachsen sind, sondern durch entsprechende Angebote und aktives Vorleben den Grundstein für eine gelingende Zukunft zu legen. Jeden Tag neu. 

 Simone Langendörfer
Simone Langendörfer: Was müsste sich in den Schulen ändern, um Kinder wirklich glücklich zu machen? 

Max von Düring: Die Schule ist nicht dazu da, Kinder "wirklich glücklich" zu machen, der Anspruch ist zu hoch und vermessen. Die Frage sollte lauten: wie könnte Schule gestaltet sein, damit Kinder traurig sind, dass die Ferien anfangen? Die Schule muss nicht nachholen, was das Elternhaus verpasst hat, sie sollte aber neben dem Vermitteln von Wissen und Fähigkeiten eine Atmosphäre bieten, in denen sich Kinder geborgen und angenommen fühlen und ihre Potenziale entwickeln können. Fachkompetenz, Sozialkompetenz, Methodenkompetenz, alles das gehört dazu. Der Blick sollte dabei auf die Entfaltung des individuellen Potenzials gelegt werden. Bei Klassengrößen über 20 ist das oft schwierig. 

Helga König: Welche Rolle spielen Eltern beim Thema "Doping für Kinder"? 

  Max von Düring
Foto: Mirko Plha
Max von Düring: Die Hauptrolle. Leider. Oft, weil sie die Kinder als persönliche Visitenkarte benutzen, um sich selber in glänzendem Lichte darzustellen. Das entstammt dann nicht einem sehr ausgeprägten Selbstwert, wenn ich das als Elternteil brauche. Wenn mich ein Vater bittet, seinen schwierigen Sohn zu coachen, fange ich erstmal mit dem Vater an. 

Simone Langendörfer:  Weshalb sind so viele Kinder trotz materiell guter Bedingungen unglücklich? 

Max von Düring: Im Industriezeitlater dachte der Mensch: materielle Sicherheit = Glück. Wir wissen schon lange, dass das nicht funktioniert. Wir brauchen das Gefühl von Verbundenheit und innerem Wachstum. Das ist wie eine kleine Glücksformel für mich: Ich schaue jeden Tag, wie ich mein Gefühl der Zugehörigkeit und Verbundenheit mit anderen Menschen stärken kann und suche mir zweitens Aufgaben, an denen ich wachsen kann. Das lebe ich meinen Kindern vor. Sie pflegen intensive Freundschaften und lieben Herausforderungen. 

 Helga König
Helga König: Sollten Eltern den Ärzten mehr misstrauen, wenn es um das Wohl ihrer Kinder geht? 

Max von Düring: Sie sollten kritische Fragen stellen, aber auch nicht zuviel von den Ärzten erwarten. Die Natur hilft auch heilen und der Körper hat Selbstheilungskräfte. Eine anständige Erkältung kann man auch mal durchstehen und muss sie nicht gleich mit harten Chemiekeulen wegdrücken, um weiterhin seine Leistung abzurufen. Misstrauen halte ich für keinen guten Ratgeber.

Simone Langendörfer: Was denken und empfinden Sie, wenn sie ein depressives, ein verträumtes oder ein extrem aufgedrehtes Kind erleben? 

Max von Düring: Dass es eine Vergangenheit hat, die ihn zu dem Verhalten gebracht hat, das es da gerade zeigt. Das depressive Kind hat mein Mitgefühl, ich versuche, es aufzumuntern und ihm Angebote zu machen, sich selbst als wertvoll zu erleben. Das verträumte Kind lasse ich träumen, schaffe ihm aber auch Anreize, aktiv etwas zu gestalten. Das aufgedrehte Kind soll sich auspowern, braucht aber auch Aufgaben, bei denen die Power in die richtigen Bahnen gelenkt wird, sonst verpufft sie wirkungslos.

Helga König: Was könnten Eltern, Lehrer und die Politik tun, damit Kindern das Lernen wieder Freude bereitet? 

 Max von Düring
Foto: Mirko Plha 
Max von Düring: Ich hatte einen Lehrer, der vermittelte Wissen in Form von Bildern, Geschichten, Anekdoten. Es war lebendig, emotional, mitreissend. Jeder Lehrer kann sich und seinen Schülern das Geschenk machen, selber begeistert zu sein, von dem was er vermitteln möchte und sich vor jeder Stunde die Fragen stellen: Wofür gehe ich gleich durch diese Tür? Was ist meine 45-Minuten Mission? Wie soll es uns allen gehen, wenn wir nach 45 Minuten hier wieder rausgehen? Wollen wir inspiriert sein und uns gewachsen fühlen oder bin ich froh, wenn die Stunde endlich um ist? Wenn wir unsere Herzensangelegenheit kennen würden, wären wir viel weniger halbherzig, sondern mit vollem Herzen bei der Sache und würden mit Interesse und Begeisterung an Neues herantreten. Das gilt für’s Lernen wir für’s Lehren.

Simone Langendörfer: Gibt es in Deutschland eine "Armut an Liebe und Geborgenheit"? 

Max von Düring: Das kann ich nicht pauschal beantworten. Aber ich würde mir wünschen, dass sich die Menschen in unserem Land viel mehr umarmen und küssen, lachen und aufeinander zugehen. Gerade für Kinder ist das wichtig, denn ich erlebe viele "körperlose" Erwachsene, die kopfgesteuert durch die Unternehmen wandeln. Das tut unseren Organisationen nicht gut, es fehlt das Herz. 

Helga König: Warum sind gerade in Deutschland so viele Menschen unzufrieden und unglücklich? 

Max von Düring: Manchmal steht uns wohl unsere deutsche Penibilität im Weg. Eingefahrene Vorstellungen und Erwartungen machen unglücklich, wenn sie nicht erfüllt werden. Ich lasse mich oft einfach nur auf das ein, was ich erlebe, dann kann ich Neues entdecken und werde nicht von meinen Vor-Stellungen enttäuscht. Außerdem sind wir eine satte Gesellschaft. Wir haben alles zu jeder Zeit. Das ist langweilig. Verzicht wäre ein Weg zu mehr innerer Fülle.

Lieber Max von Düring, danke für das aufschlussreiche Interview

Ihre Simone Langendörfer, Ihre Helga König


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen