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Helga König und Simone Langendörfer im Gespräch mit Jens Koch (Künstlername Jando), Verleger und Autor

Lieber Jens Koch, Sie sind Verleger und u.a. Autor des Märchens "Sternenreiter", das demnächst verfilmt, im Kino zu sehen sein wird. 

Wir freuen uns sehr, dass auch Sie sich entschieden haben, an unserem Interview-Projekt "Wann ist eine Kindheit kindgerecht? teilzunehmen.

Helga König: Werden Kinder heute extrem auf Leistung "gedrillt" und falls ja, wodurch entsteht dieser Leistungsdruck? 

 Jens Koch
Foto: Mandy Vollmer
Jens Koch: Kinder stehen unter enormem Leistungsdruck. Neben der allgemeinen Flut an Informationen, die allein auf die Kinder und Jugendlichen über die täglich frei verfügbaren Medien oft aufgrund mangelnder Medienkompetenz ungefiltert auf die Kinder einprallen, stehen die Kinder auch und gerade in der Schule unter massivem Leistungsdruck. Gute SchülerInnen werden gesehen, die schwächeren oftmals übersehen. Es entsteht der Eindruck, der Lehrer müsse seinen Lehrplan durchsetzen, während der einzelne Schüler/die einzelne Schülerin nicht mehr mit ihren/seinen Stärken und Schwächen gesehen werden kann. 

Simone Langendörfer: Was heißt für Sie Kindsein und meinen Sie, dass "Kindsein" in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts einfacher war?

Jens Koch: In der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts waren weder das Fernsehen noch die Medien auch und gerade in ihrer Wichtigkeit präsent. Kinder unterlagen weniger den Vergleichen, dem Markenbewußtsein und des Markendrucks, so dass sie sich doch unbeschwerter in der Natur, dem Spielen, im Miteinander aufhalten konnten. Für mich ist Kindsein, dem Bewegungsdrang, Forscherdrang, der Entdeckungslust eines Kindes und seiner Neugier gerecht zu werden. Kind einfach Kind sein lassen, auch seine eigenen Entwürfe entwickeln lassen zu können. Hierfür auch die Freiräume zu erhalten - Gehen diese Fähigkeiten und Träume verloren, geht das Beste im Kind verloren.

Helga König: Was müsste sich in den Schulen ändern, um Kinder wirklich glücklich zu machen? 

 Jens Koch
Foto: Mandy Vollmer
Jens Koch: Den Druck von den Lehrern nehmen, einzig ihre Lehrpläne durchzudrücken. Die Förderung des Miteinanders - Erweiterung des Ausflugswesens, ein Mehr in der Natur - mehr Raum für Gespräche, Bewegungsfreiheit, echte Einbindung und Akzeptanz der Eltern - Förderung und Sensibilisierung von Mobbing-Kompetenz bei den Lehrern. Höhere Gewichtung auf die Fächer Sport, Theater, Musik. Gerade diese Fächer sind als Nebenfächer klassifiziert. Gerade die Musik sensibilisiert das Hinhören, das Lernverhalten - Theater lehrt nicht nur Teamgeist und Disziplin, sondern auch die eigenen Fähigkeiten, sich auszudrücken und in der Welt zu stehen, sich zu zeigen. Und Sport ...neben Teamgeist, Fairplay spornt es zu Leistungen an und fördert den Stressabbau und das Durchhaltevermögen. 

Simone Langendörfer: Welche Rolle spielen Eltern beim Thema "Doping für Kinder"? 

Jens Koch: Ich gehe davon aus, dass hier die Vergabe von Ritalin an Kinder gemeint ist. Ich selber lehne die Vergabe solcher Mittel ab und begrüsse die Meinung von Herrn Prof. Dr. Hüther, der klar sagt, geht raus mit den Kindern, tobt mit ihnen, bis sie erschöpft sind - macht Sport, seht die Kinder und ihre Bedürfnisse. Ich verurteile jedoch kein Elternteil, das eine solche Vergabe vornehmen muß. Gerade in Kindergärten und Schulen werden oft Eltern angesprochen, dass ihr Kind verhaltensaufällig ist, die anderen Kinder stört und eine solche Vergabe empfehlen - ebenso wie Kinderärzte eine solche Vergabe empfehlen. Eltern werden dadurch verstärkt unter Druck gesetzt, dass mit ihrem Kind etwas nicht stimmt. Eltern könnten hier gestärkt werden, einen mutigeren Weg zu gehen, Wege aufgezeigt bekommen, andere Wege zu beschreiten. 

Helga König: Weshalb sind so viele Kinder trotz materiell guter Bedingungen unglücklich?

Jens Koch:  Kinder brauchen den Raum für Fantasie. Wird ihnen dieser Raum ausschließlich durch materielle Dinge genommen, gehen ihre Träume verloren und ihre Kreativität. Es fehlt gerade aufgrund von materiell guter Bedingungen an Wärme, Zuwendung und dem besonderen Ansporn, ihre Ziele zu erreichen. Sie verlernen regelrecht, glücklich zu sein, weil ausschließlich das Materielle als Definition untereinander zu scheinen gilt. Der Reiz des Materiellen ist jedoch kurz, die innere Fülle muss solange weichen, bis kaum noch mehr Zugang dazu da ist. Kinder, die nicht mithalten können, werden ausgeschlossen, sind Aussenseiter.

Simone Langendörfer:  Sollten Eltern den Ärzten mehr misstrauen, wenn es um das Wohl ihrer Kinder geht? 

  Jens Koch
Foto: Mandy Vollmer
Jens Koch: Mißtrauen wäre ein zu harter Begriff. Ich halte eine Haltung der Eltern für gut, die sich eingehender informiert, sich den Raum gegenüber den Ärzten nimmt, Fragen zu stellen und zum Kindeswohl, diese auch umsetzen. Hierbei ist es wichtig, dem Kind auch vorzuleben, dass nicht das Erstbeste gleich gilt und durchaus auch die Aussagen eines Arztes verifiziert werden, indem sich eine weitere Meinung eingeholt wird.

Helga König: Was denken und empfinden Sie, wenn sie ein depressives, ein verträumtes oder ein extrem aufgedrehtes Kind erleben? 

Jens Koch. In allem denke ich sofort: helfen und unterstützen, zur Seite stehen. 

Simone Langendörfer:  Was könnten Eltern, Lehrer und die Politik tun, damit Kindern das Lernen wieder Freude bereitet? 

Jens Koch: Sich in erster Linie wieder zurückversetzen, was wir als Kinder gerne mochten. Was war uns wichtig? Zusammenhalt, Lachen, Träumen, Bewegung. Wer sich daran erinnert, weiß auch, dass Lernen wie im Flug geht, wenn man entspannter ist, glücklicher ist. Und zum Glücklichsein braucht es kindgerechtes Lernen, vor allen Dingen auch das Lernen neuer Fächer, neuer Inhalte. Märchen als Unterrichtsfach wäre ein guter Anfang. 

Helga König: Gibt es in Deutschland eine "Armut an Liebe und Geborgenheit"? 

Jens Koch: In einer Zeit, die so eng getaktet ist, wie die unsrige, gehen die Räume für Liebe und Geborgenheit verloren. Es entsteht der Eindruck, dass diese Werte weniger wichtig sind, auch und gerade Kindern wird dieses vermittelt. Dabei sehnt ein jeder sich danach. Eine Gesellschaft, die Kindern keinen Freiraum bietet, hat für meine Begriffe keine rosige Zukunft. Ebenso eine Gesellschaft, die vorlebt, dass Tiere nur Gegenstände sind, geht seiner eigenen Gefühlsarmut entgegen. Eine Gesellschaft, die vorlebt, dass ausschließlich Materie und Geld zählen, läßt andere Werte und Tugenden, die die Seele füllen, außer Acht und verblassen. Ein bißchen mehr Mut zur Langsamkeit, den Anderen sehen, ihn annehmen, ist das wahre Gut, das überdauert. 

Simone Langendörfer: Warum sind gerade in Deutschland so viele Menschen unzufrieden und unglücklich?

  Jens Koch
Foto: Mandy Vollmer
Jens Koch:  Ist es wirklich so? Ich vertrete die Einstellung, dass es noch eine Denker- und Dichterseele gibt, die gerne erblühen möchte aber nicht mehr darf. Die Sehnsucht nach Schönem und Immateriellem ist groß doch der Mut, andere Wege zu gehen, ist noch nicht da. Gerade die ewige Jagd nach Erfolg bringt ab einem bestimmten Punkt kein Wachstum mehr, da gilt es, sich anderer Werte zu besinnen, die allerdings in der Zwischenzeit auf dem Erfolgsweg verloren gegangen sind. Genau dort ist der Punkt, wo Unzufriedenheit und das Gefühl des Unglücklichseins entstehen kann. Die alten deutschen Tugenden und Werte haben unsere Gesellschaft lange getragen und gestützt. Langsam wirken diese Tugenden verloren, oder gar der Mut, diese Tugenden anzuwenden, geht verloren. Diese Werte wirken nur noch wie eine Erinnerung aber nicht mehr als gelebtes Gut.

Lieber Jens Koch, wir danken Ihnen für das aufschlussreiche Interview.

Ihre Helga König,  Ihre Simone Langendörfer


Mandy Vollmer

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