Das Impressum finden Sie auf der Hauptseite von "Buch, Kultur und Lifestyle"- Das Onlinemagazin für den anspruchsvollen Leser- www.rezensionen.co

Helga König und Simone Langendörfer im Gespräch mit Karl Feldkamp, Supervisor, Kommunikationstrainer sowie freier Autor

Lieber Karl Feldkamp, Sie  arbeiten als Supervisor, Kommunikationstrainer und freier Autor. Wir freuen uns sehr,  Ihre Antworten zum Thema "Wann ist eine Kindheit kindgerecht?" unseren Lesern zu übermitteln. 

Helga König: Werden Kinder heute extrem auf Leistung "gedrillt" und falls ja, wodurch entsteht dieser Leistungsdruck? 

Karl Feldkamp
Foto: Barbara Feldkamp
Karl Feldkamp:  Ja, Kinder werden in Deutschland auf Leistung gedrillt. Eltern geben ihren beruflichen Leistungs- und Karrieredruck an ihre Kinder weiter. Mütter und Väter können zudem, da sie beruflich oft stark eingespannt sind, kaum freie Zeit mit ihren Kindern verbringen. Sie sind oft nur (Auto-)Fahrer ihrer Kinder und bringen sie mit dem Auto von einem Freizeitangebot zum anderen. Außerdem machen auch Schulen durch intensive Klausurphasen Druck. Neben der Schule bleibt Kindern und Jugendlichen durch Ganztagsschulen zu wenig Zeit für Freundschaften und zum Spielen. 

 Simone Langendörfer
Simone Langendörfer: Was heißt für Sie Kindsein und meinen Sie, dass "Kindsein" in der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts einfacher war? 

Karl Feldkamp: Kindsein heißt für mich, dass Kinder in einem kreativen Schonraum aufwachsen können, der weniger von Anforderungen der Erwachsenen-Welt beeinflusst ist. Ich denke, Kinder hatten es in der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts leichter, da ihnen noch manche Freiräume zur Verfügung standen. Sie konnten vielfach noch auf der Straße spielen, die nicht allein den Autos gehörte. Zudem hatten sie Zeiten, in denen sie nicht unter Aufsicht von Erwachsenen waren. Heute werden sie überall von Pädagogen- und Elternaugen überwacht. 

Helga König: Was müsste sich in den Schulen ändern, um Kinder wirklich glücklich zu machen? 

 Karl Feldkamp
Foto: Barbara Feldkamp
Karl Feldkamp: Die Schulen sollten weniger der Vorbereitung auf den zukünftigen Beruf der Kinder dienen. Lernen durch Praxis müsste dem Theorie-Lernen vorgezogen und soziales und musisches Lernen sollte höher (als derzeit) bewertet werden. 

Simone Langendörfer:  Welche Rolle spielen Eltern beim Thema "Doping für Kinder"? 

Karl Feldkamp:  In jedem Fall eine Vorbildrolle, da viele von ihnen häufig zu schnell zur Tablette greifen, um zu Hause und am Arbeitsplatz die vermeintlich erwartete Form halten oder steigern zu können. Auch der Umgang mit Alkohol als Enthemmer ist für Kinder nicht gerade vorbildhaft. 

 Helga König
Helga König: Weshalb sind so viele Kinder trotz materiell guter Bedingungen unglücklich? 

Karl Feldkamp: Materielle Zuwendung an Kinder – Handys, Smartphones, Computer, Spielkonsolen etc. - kann natürlich nicht die liebevoll emotionale Zuwendung durch die Eltern und Bezugspersonen ersetzen. Der Mangel an spürbarer Liebe macht unglücklich.

Simone Langendörfer: Sollten Eltern den Ärzten mehr misstrauen, wenn es um das Wohl ihrer Kinder geht? 

Karl Feldkamp: Das kommt auf den Arzt an. Ein Kinderarzt, der z. B. zu schnell Psychopharmaka u.ä. Medikamente verschreiben will, verdient aus meiner Sicht nicht das Vertrauen der Eltern. Einer, der sich viel Zeit für die Kinder und auch für die erzieherische Beratung von Müttern und Vätern nimmt, ist immer vorzuziehen. 

Helga König:  Was denken und empfinden Sie, wenn sie ein depressives, ein verträumtes oder ein extrem aufgedrehtes Kind erleben? 

 Karl Feldkamp
Foto:  Barbara Feldkamp
Karl Feldkamp:  Zunächst einmal vermeide ich schnelle "Diagnosen". Ein depressives Kind macht mich auch traurig und löst den Reflex aus, es trösten und ermuntern zu wollen. Einem verträumten Kind würde ich später ein Künstlerleben zutrauen können. Ich frage mich allerdings auch, welche Ängste (vor der Umwelt) hinter dem Verträumtsein stecken könnten. Bei einem extrem aufgedrehten Kind vermute ich, dass es sich viel zu sehr anstrengen muss, um die Aufmerksamkeit seiner Eltern und Bezugspersonen zu erlangen. Ich würde es am liebsten in den Arm nehmen, um ihm Wärme und Halt zu geben. 

 Simone Langendörfer
Simone Langendörfer: Was könnten Eltern, Lehrer und die Politik tun, damit Kindern das Lernen wieder Freude bereitet? 

Karl Feldkamp:  Sie sollten zunächst wirklich für Kinder da sein und sich für sie interessieren, um ihre eigentlichen Talente zu fördern und sie nicht als menschliches Kapital zu sehen und vor allem zu produktiven Wirtschaftsfaktoren formen zu wollen. Kinder haben grundsätzlich Spaß am Lernen und diesen sollten Lehrer und Eltern ihnen möglichst lange erhalten. Sie wollen lieber forschen als "Vorgebetetes" nachzubeten… Und die Politik sollte dafür die Bedingungen herstellen. 

 Helga König
Helga König:  Gibt es in Deutschland eine "Armut an Liebe und Geborgenheit"? 

Karl Feldkamp:  Ja, nach meinen Beobachtungen gibt es die. Heimat und dauerhafte Beziehungen stehen der angeblich wirtschaftsnotwendigen Globalisierung entgegen. Das lässt Wünsche nach emotionaler Geborgenheit zurückstehen. Dafür wird vermeintliche Freiheit, die oft in Einsamkeit endet, als erstrebenswert angesehen. Das nützt besonders Unternehmern, die unabhängige Mitarbeiter wünschen, die sich vor allem an das Unternehmen binden lassen. Allerdings geht es dabei immer nur um die Funktion des jeweiligen Mitarbeiters und kaum um ihn als Mensch. Allein die Arbeitskraft zählt. Die Familien als solche werden stark von der Arbeitswelt bestimmt und können sich nur bedingt um ihre menschlichen Bedürfnisse kümmern. Familienverbände werden desorganisiert. Und selbst die Großelter-Generation fällt als liebevoll verwöhnende Oma und verwöhnender Opa aus, da sie oft noch berufstätig sind oder nach so viel Beruf endlich ihren "wohlverdienten" Ruhestand - z.B. auf Mallorca oder in Thailand - verbringen wollen. 

Simone Langendörfer: Warum sind gerade in Deutschland so viele Menschen unzufrieden und unglücklich? 

 Karl Feldkamp
Foto: Barbara Feldkamp
Karl Feldkamp: Offenbar ist der Deutsche sehr leistungsorientiert und hat einen Hang zum Perfektionismus. Das lässt Zufriedenheit kaum aufkommen. So wird er nicht umsonst als nörglerisch und schulmeisterlich angesehen und die herabhängenden Mundwinkel Angela Merkels gelten im Ausland als ein deutsches Wahrzeichen. Allerdings beobachte ich in der Generation der heute Zwanzig-Jährigen inzwischen auch eine weniger wirtschaftsorientierte Gegenbewegung, die auf mehr menschliche Geborgenheit und weniger wirtschaftlichsorientierte Leistungsbereitschaft hoffen lässt.

Lieber Karl Feldkamp, wir danken Ihnen für das aufschlussreiche Interview.

Ihre Helga König, Ihre Simone Langendörfer

Karl Feldkamp
Lyrik, Prosa, Supervision
Auf der Ente 1
51766 Engelskirchen-Wallefeld
02263 7100375


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen