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Helga König und Simone Langendörfer im Gespräch mit Florian Fock, Schulleiter der Hermann Lietz-Schule Spiekeroog

Lieber Florian Fock, Sie sind Schulleiter der Hermann Lietz-Schule Spiekeroog. 

Die Hermann-Lietz-Schule Spiekeroog ist ein staatlich anerkanntes Internatsgymnasium in freier Trägerschaft. Die ruhige Lage auf der Insel Spiekeroog und die kleinen Klassen mit durchschnittlich 15–18 Schülern schaffen,  wie man Ihrer Website entnehmen kann, ideale Lernbedingungen für die Schüler dort. 

Über die Schulgeschichte, den Schulalltag dieses Internats und anderes mehr können sich die Leser auf Ihrer Website ausgiebig informieren. 

Wir freuen uns, dass Sie an unserem Interviewprojekt "Wann ist eine Kindheit kindgerecht?" teilnehmen. 

Helga König: Werden Kinder  heute  extrem auf Leistung "gedrillt" und falls ja, wodurch entsteht dieser Leistungsdruck? 

 Florian Fock
Schulleiter 
der Hermann Lietz-Schule Spiekeroog
Florian Fock: Spätestens seit dem "PISA-Schock" hat sich der Glaube breit gemacht, man könne durch immer mehr Leistungstests Qualitätssicherung betreiben und die Kinder dadurch auf einen vermeintlich immer durchgreifenderen internationalen Wettbewerb vorbereiten. Dabei wurden Stimmen aus der Wirtschaft laut, die in manchen Bundesländern zur Verkürzung der Schulzeit geführt haben. In Niedersachsen wird diese Fehlentscheidung nun wieder rückgängig gemacht, nicht zuletzt auch weil die Wirtschaft mit unselbstständigen Abiturienten nichts anfangen kann. Schulische Bildung kann aber nicht nur dafür da sein, die teilweise widersprüchlich formulierten Ansprüche des Arbeitsmarktes zu erfüllen, sondern es muss auch Raum für Persönlichkeitsentwicklung und Werteerziehung geben. 

 Simone Langendörfer
Simone Langendörfer: Was heißt für Sie Kindsein und meinen Sie, dass "Kindsein" in der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts einfacher war?

Florian Fock: Kindsein heißt für mich, Zeit für scheinbar unsinnige Umwege zu haben, sich ausprobieren zu dürfen und spielerische Neugier ausleben zu dürfen. Die neuen Medien sind ein Segen für die Menschheit, aber es geht von ihnen auch ein ungeheurer Sog aus, der manchen Jugendlichen die Möglichkeit, Kind zu sein, nimmt. Hier lauern Gefahren, durch die kreative Kräfte frühzeitig gelähmt werden. 

Helga König: Was müsste sich in den Schulen ändern, um Kinder wirklich glücklich zu machen?

  Florian Fock
Schulleiter 
der Hermann Lietz-Schule Spiekeroog
Florian Fock: Ich leite eine Schule, in der Lehrer und Schüler zusammen auch leben und arbeiten. Dadurch entstehen viele Berührungspunkte außerhalb der von Schulbuchverlagen vorbereiteten Aufgaben. Schulen brauchen solche Freiräume, hier spielt sich kreatives und soziales Lernen ab, das nachhaltiger wirkt als nur kurz vor einer Klassenarbeit 20 Stichworte auswendig zu lernen. 

Simone Langendörfer: Welche Rolle spielen Eltern beim Thema "Doping für Kinder"? 

Florian Fock: Kann ich nichts zu sagen, verstehe ich nicht wie das gemeint sein soll.

 Helga König
Helga König: Weshalb sind so viele Kinder trotz materiell guter Bedingungen unglücklich? 

Florian Fock: Kinder brauchen für ihr Glücksgefühl nur scheinbar das neueste Smartphone. In Wirklichkeit brauchen sie Zeit, die Erwachsene für sie haben. Zeit ist das Kostbarste, und der berufliche Alltag lässt das leider oft nicht zu. Bei uns im Internat sind viele Erwachsene da, die sich fürsorglich den Kindern und Jugendlichen widmen. Und zuwendungsbedürftig sind alle, gerade in der Phase der Pubertät, in der manchmal zwischen Eltern und Jugendlichen Beziehungsabbrüche das Miteinander erschweren. 

Helga König: Sollten Eltern den Ärzten mehr misstrauen, wenn es um das Wohl ihrer Kinder geht? 

  Florian Fock
Schulleiter
der Hermann Lietz-Schule Spiekeroog
Florian Fock: Nein, auf keinen Fall. Es ist wichtig, einen Arzt des Vertrauens zu finden. Es gibt meistens aber nicht nur eine Diagnose einer Krankheit, und viele Wege der Behandlung, je nachdem welchem Weg man als Elternteil eher zugetan ist. Bei vorgeschlagenen Behandlungswegen müssen Eltern aktiv mitdenken, unausgesprochenes Misstrauen hilft aber nicht weiter. 

Simone Langendörfer
Simone Langendörfer: Was denken und empfinden Sie, wenn sie ein depressives, ein verträumtes oder ein extrem aufgedrehtes Kind erleben? 

Florian Fock: Mit der Frage kann ich nichts anfangen. Alle Kinder sind einzigartig und verschieden. Wenn eine Verhaltensweise nicht nur vorübergehend sondern eine Eigenschaft des Kindes ist, und ich beruflich mit dem Kind zu tun habe, versuche ich mit allen Beteiligten (Kollegen, Kind, Eltern) Wege zu finden, durch die das Kind gestärkt wird und sich in Lernsituationen zurecht finden kann.

 Helga König
Helga König: Was könnten Eltern, Lehrer und die Politik tun, damit Kindern das Lernen wieder Freude bereitet? 

Florian Fock: Sie könnten eine Vielfalt an Schulen und Lernformen zulassen, ohne mit ideologischen Scheuklappen, parteipolitischen Strategien oder gewerkschaftlich motivierten Besitzstandskämpfen bildungspolitische Diskussionen zu führen. Dabei muss das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen, und nicht das Wohl einer Wiederwahl, oder das Wohl des unantastbaren Beamtentums. 

Simone Langendörfer: Gibt es in Deutschland eine "Armut an Liebe und Geborgenheit"? 

Florian Fock: Das sehe ich nicht so. Grundsätzlich sind wir eine Gesellschaft, in der man sich umeinander kümmert! 

Helga König: Warum sind gerade in Deutschland so viele Menschen unzufrieden und unglücklich? 

  Florian Fock
Schulleiter
der Hermann Lietz-Schule Spiekeroog
Florian Fock: Wir leben in einer Wohlstands- gesellschaft. Es gibt zwar auch in Deutschland materielle Armut, aber der letzte unmittelbare Krieg ist lange her und die gesellschaftliche Erinnerung verblasst. Den meisten Menschen geht es materiell gut, es gibt keine Naturkatastrophen, keine Krisenstaaten als Nachbarländer, und eine landesweit gut ausgebaute Infrastruktur. Wir sind perfekt organisiert, gut versichert, und Lebensmittel sind günstig. 

Bildung kann man kostenfrei mit guter Qualität bekommen. Im weltweiten Vergleich haben wir also optimale Lebensbedingungen. Es gibt viele Gründe, warum trotzdem Unzufriedenheit entsteht: Wer hat, will mehr und begehrt. 

Halt im Glauben kann man finden, die Bedeutung der Kirche nimmt aber ab. Der Leistungsdruck ist hoch und die Angst, als Verlierer auf der Strecke zu bleiben. Durch den Leistungsdruck bleibt keine Zeit für sinnstiftende Tätigkeiten (Musik, Sport, Ehrenamt usw.). 

Der familiäre Zusammenhalt ist nicht mehr so stark, zumal man heutzutage beruflich mobil sein muss und nicht mehr im Heimatdorf bleiben kann. Konflikte landen vor Gericht, statt sie auszuhandeln. 

Es gibt viele Wege, sich ein unglückliches Leben zu gestalten, obwohl man gute Lebensbedingungen hat. Eins ist sicher: Ich bin am Internatsgymnasium Hermann Lietz-Schule Spiekeroog äußerst glücklich! 

Lieber Florian Fock, wir danken Ihnen herzlich für das aufschlussreiche Interview. 

Ihre Helga König, Ihre Simone Langendörfer 
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www.lietz-spiekeroog.de 

Hermann Lietz-Schule Spiekeroog gGmbH 
Staatlich anerkanntes Gymnasium 
mit Internat in freier Trägerschaft 
Hellerpad 2 
26474 Spiekeroog 
fon +49 4976 9100-0 
• fax +49 4976 9100-91 
info@lietz-spiekeroog.de 
Amtsgericht Aurich HRB 1536 
• USt.-IdNr. DE 190 349 36 
 Leiter und Geschäftsführer: Florian Fock, OStD
Foto: Hermann Lietz-Schule Spiekeroog gGmbH 

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